Frauen in Entwicklungsländern sind gegenüber Männern in vielerlei Hinsicht benachteiligt. So kommen auf 100 junge Männer an weiterführenden Schulen und Universitäten lediglich 79 Mädchen und junge Frauen. Frauen verdienen weniger in in vergleichbaren Tätigkeiten und haben ein höheres Armutsrisiko, sogar wenn sie arbeiten. Oft haben sie eingeschränkte Landrechte sowie begrenzte Möglichkeiten, sich unternehmerisch zu betätigen. Im politischen Bereich stellen Frauen lediglich 15.9 Prozent der Abgeordneten auf nationaler Ebene (United Nations, 2005).
In ihrer Studie ‚Gender Equality in Development‘ untersucht Esther Duflo (Massachusetts Institute of Technology, MIT) den Zusammenhang zwischen ‚Women Empowerment‘, d.h. insbesondere dem Zugang von Mädchen und Frauen zu Bildung und Ausbildung, und der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung eines Landes. Hierbei geht es ihr darum herauszufinden, ob eine besondere Förderung von Frauen zu schnellerer Entwicklung führt oder ob Geschlechtergleichheit ein Ergebnis des wirtschaftlichen Entwicklungsprozesses ist. Bisherige Studien haben sich zumeist auf eine der beiden Wirkungsrichtungen konzentriert. So wurde einerseits gezeigt, dass Frauen vom Prozess der wirtschaftlichen Entwicklung überproportional profitieren und Maßnahmen zur Steigerung des Wirtschaftswachstums damit der beste Weg zur Förderung der Chancengleichheit der Geschlechter sind. Andererseits weist eine Reihe von Studien nach, dass eine explizite Stärkung der Rolle der Frau zu einer nachhaltigen Armutsreduktion, einer geringeren Kindersterblichkeit, höheren Investitionen in Bildung und nicht zuletzt zu höherem Wirtschaftswachstum führt.
Esther Duflo stellt vor diesem Hintergrund die Frage, ob entweder Maßnahmen zur Steigerung von Wirtschaftswachstum oder eine Politik des ‚Women Empowerment‘ der effektivere Weg hin zu Entwicklung und Chancengleichheit sind. Ihr zentrales Ergebnis lautet, dass wirtschaftliche Entwicklung allein nicht zu einer gleichberechtigten Gesellschaft führt. Zwar gehören Armut und Chancenlosigkeit zu den Hauptgründen für die Benachteiligung von Frauen, doch bleiben auch in sich entwicklenden Staaten häufig erhebliche Vorurteile und Stereotypen bestehen, die Frauen rechtlich oder faktisch in ihrer wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Betätigung benachteiligen. Gezielte Maßnahmen zur Förderung von Frauen sind daher notwendig, um eine Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern zu erreichen. Gleichzeitig beschleunigt eine solche Politik indirekt das Wirtschaftswachstums und den Prozess der Armutsreduktion. Die zentrale Botschaft der Studie von Esther Duflo lautet daher, dass diejenigen Entwicklungsstrategien, die einen besonderen Fokus auf ‚Women Empowerment‘ legen, in besonderem Maße effektiv sind, um sowohl die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern als auch um Ungleichheit und Benachteiligung zu verringern.